Montag, 30. November 2009

Hausrundgang

Hedwig führte mich nach dem Abendessen durch das Haus. Ein großes Haus mit vielen Zimmern. Sie zeigte mir zuerst die “Waschküche”, erklärte mir, dass sie dort früher tatsächlich in großen Bottichen die Wäsche auf einem Waschbrett wuschen und auch die ganze Familie in einer Wanne in der Waschküche badete. Alle nacheinander, im selben Badewasser. Nun standen dort die Waschmaschine, Wäscheständer und noch eine alte “Badebütt” wie Hedwig sie nannte. Von dort aus ging es in den Keller, wo die ganzen Vorräte lagerten und sich auch die Kühltruhe befand. Schwer vorzustellen für mich, jedes mal, für Äpfel, Kartoffeln, Zwiebeln, Marmelade, für nahezu alles was man so benötigt durch die Waschküche in den Keller zu laufen. Und das meistern Hedwig und Willi, die beide über 70 Jahre alt sind jeden Tag immer und immer wieder. Als nächstes zog Hedwig einen großen Schlüsselbund aus ihrer hellblauen, bunt geblümten Schürze hervor und schloss die erste Tür auf. Wir betraten ein Zimmer, ein riesiges Zimmer, das durch einige Stufen in zwei Bereiche abgeteilt war. Im oberen Bereich ein langer Esstisch, an dem schätzungsweise 20 oder mehr Personen Platz haben, im unteren Bereich gemütliche Polstermöbel, Plattenspieler und Radio. “Das ist die gute Stube” erklärte mir Hedwig, und schloss die Tür gleich wieder ab nachdem wir den Raum verlassen hatten. Weiter ging die Führung über eine schmale Treppe aus Holz, die in den ersten Stock führte. Jede einzelne der Stufen ächzte und stöhnte in einem anderen Ton über die Last, die wir beim hochgehen verursachten. Im ersten Stock befand sich zuerst das Badezimmer. Olivgrüne Fliesen wohin das Auge reichte, Badewanne, Toilette, alles in diesem Raum, einschließlich der Badematten war olivgrün! Und am Ende des Raums eine Tür. “Was ist da drin?” fragte ich Hedwig. “Komm Kind, hier gehts weiter” bekam ich als Nicht-Antwort auf meine Frage und wir verließen das Badezimmer in die gleiche Richtung, wie wir es betreten hatten. Die gesamte erste Etage schien es den Treppen gleich zu tun und machte bei jeder Berührung mit unseren Füßen beängstigende Geräusche. Hedwig ließ sich dadurch nicht beeinflussen, sie war es ja gewohnt, ich allerdings versuchte so sanft wie möglich aufzutreten um dem Boden keinen Grund zum Aufstöhnen zu geben. “Gib dir keine Mühe Kindchen, das hat keinen Sinn, genau wie uns tun dem alten Haus eben auch die Knochen weh” sagte Hedwig lachend, als sie meine Bemühungen bemerkte. Weiter ging es in einen Korridor mit drei aufeinander folgenden Türen auf der rechten Seite. Hedwig griff wieder den Schlüsselbund in der Schürze, schloss die erste Tür auf. Ein Mädchenzimmer mit weißer Tapete,die über und über mit Blumenmuster in Rosa und Violett Tönen versehen war. Ein Bett mit rosa Tagesdecke, auf der unzählige Puppen und Teddybären saßen auf der einen Seite, Kleiderschrank und eine Kommode mit Schminkspiegel auf der anderen. “Das Zimmer unserer Tochter”. Sie ließ mich kurz einen Blick hineinwerfen, machte dann das Licht wieder aus und schloss ab. “Wie schön, sie schläft sicher noch gerne hier drin, wenn sie zu Besuch kommt” sagte ich überzeugt. “Sie kommt aber nicht”. Auch bei der nächsten Tür wieder der gleiche Ablauf, Schlüssel raus, Tür auf, innen diesmal ein Zimmer, dass nach Jungenzimmer aussah. “Das Zimmer von ihrem Sohn?” fragte ich sie. “Ja” sie machte einen traurigen Eindruck. Ich wollte sie zuerst fragen was los sei, aber ich hielt mich zurück, schließlich kannte ich sie erst seit kurzer Zeit.

Das nächste Zimmer war nicht abgeschlossen und das Zimmer, das sie extra für Gpunkt und mich hergerichtet hatten. “Die Betten stehen normalerweise getrennt von einander aber Willi und ich haben sie für euch zusammen geschoben, wir dachten das ist euch recht so” sie zwinkerte mir zu. Ich glaube, ich bin für einen Moment ziemlich rot geworden!

“Sagt mal, bekommt man euch beide denn heute überhaupt noch zu Gesicht??” brüllte Willi forsch aus der Küche zu uns hoch und beendete damit unseren Rundgang an diesem Abend. “Außer den Speicher und unserem Schlafzimmer gibt es auch nicht mehr viel zu sehen Kindchen. Komm, die können ohne uns nichts mit sich anfangen.”

Wir saßen noch eine Weile gemeinsam in der Küche und erzählten, darüber wie Jan und ich uns kennenlernten, darüber was ich beruflich mache und so weiter. Aber eigentlich dachte ich nur über dieses Haus nach und die Art wie die beiden es bewohnen. Und auch nach dem Wochenende kann ich nicht anders als darüber nachzudenken.

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